1. FASTENSONNTAG

9. März 2014

Lesungen: Gen 2,7-9;3,1-7 / Mt 4,1-11

Gedanken zu den Lesungen

Ich habe mich immer gefragt, was es mit diesen Bäumen im Paradies auf sich hat: Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis von Gutem und Bösem. Wir wissen, dass wir es hier nicht mit Geschichtsschreibung zu tun haben, die genau berichten will, wie das alles gewesen ist. Es sind Erzählungen, in der Fachsprache „Mythologien“, die eine Urerfahrung umschreiben wollen: Wie der Mensch in seinem tiefsten Wesen ist. Und was sagt uns diese Paradieserzählung über uns, Menschen?

Wir sind Wesen, die alles wissen möchten, denn Wissen ist Macht. Durch dieses Wissen wollen wir alles selbst bestimmen, auch was Gut und was Böse ist. Wir sind immer versucht, „wie Gott sein zu wollen“, unabhängig von ihm. Wir brauchen ihn nicht, wir können schon selbst bestimmen, was gut für uns ist. Das ist die ewige Versuchung des Menschen. Der Mensch ist dann auch immer innerlich gespalten: Sein Wissen um das Gute ist natürlich positiv, aber sein innerer Drang, um das Böse zu wissen und es auszuprobieren, wirkt zerstörerisch. Wir alle kennen diese Erfahrung: Gerade weil etwas verboten ist, hat es eine große Faszination!

Was geschieht, als die Menschen von den Früchten dieses „Wissensbaumes“ essen? Sie wissen nicht alles, so dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, sondern ihre Augen gehen auf und sie sehen, wie sie wirklich sind: Nackt, schutzbedürftig, verletzbar, sie verlieren ihre Unbefangenheit einander gegenüber, sie müssen sich (mit Feigenblättern) voreinander schützen.

Das ist die Urversuchung der Menschen: Sein zu wollen wie Gott, ohne ihn auszukommen, selbst alles bestimmen wollen. Wo das hinführt entdecken wir immer wieder aufs Neue in der Geschichte: Es entstehen unmenschliche Systeme, Willkür, Unfreiheit, Diktatur, Selbstzerstörung. Das geschieht sowohl auf Weltebene als auch im privaten Familienleben. So ist der Mensch. Das steckt tief in ihm, in seinem Wesen.

Jesus bringt uns eine Lösung für dieses Problem. In diesem Sinne ist er unser „Erlöser“. Er verweigert es seine Möglichkeiten, seine Macht für den eigenen Hunger einzusetzen. Er handelt gegen das Prinzip, das Bert Brecht in seiner „Dreigroschenoper“ nennt: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. „Der Mensch lebt nicht nur von Brot“, sagt Jesus. Wir sollen uns im Leben der Versuchung widersetzen, uns nur für die Befriedigung unserer materiellen Bedürfnisse einzusetzen und dafür alles zu opfern. Gerade wir machen die Erfahrung, dass wir schon übersatt sind, so dass unsere Gesundheit darunter leidet. Wir leiden unter einer Konsumgesellschaft, unter dem Zwang immer mehr zu konsumieren, damit die Wirtschaft immer mehr Dingen produzieren kann, die wir eigentlich nicht brauchen.

Jesus widersteht auch der Versuchung, eine große Show abzuziehen, den Weg der Sensation zu gehen, damit er bewundert und verehrt wird. Er springt nicht von der Tempelmauer herunter, lässt nicht auf eine Mutprobe ein, um zu zeigen, dass Gott mit ihm ist. Du sollst Gott nicht auf die Probe stellen. Der Versucher will den Weg Jesu bis ans Kreuz durch öffentliche Show und Publicity ersetzen. Gerade unsere Welt scheint ein großes Bedürfnis zu haben sich selbst darzustellen durch Showeffekte, das Ego immer größer zu machen, in der Politik, in der Welt des Sports, in der Kirche und im Privatleben. Es bleibt eine große Versuchung.

Und Jesus will auch nicht „den Reichtum dieser Welt“ zu seinem Gott machen. Nur Gott sollst du anbeten und nichts oder niemanden sonst.

Jesus kann all diesen Versuchungen widerstehen, weil er in seiner 40-tägigen Fastenzeit seine Beziehung zu Gott durch Gebet und Besinnung so intensiv und lebendig gemacht hat, dass er die Kraft hat, seiner Sendung treu zu bleiben und sie nicht selbstsüchtig und eigenmächtig in Gefahr zu bringen. Er hat auf Gott geschaut.

Ist es nicht auch für uns der Sinn dieser Fastenzeit, mehr Kontakt mit Gott zu suchen, unsere Beziehung zu ihm zu stärken, damit wir den Mut und die Kraft bekommen, unser Wissen, unsere Möglichkeiten und Talente für das Reich Gottes in dieser Welt und nicht für uns selbst einzusetzen?

Zum Archiv